Seminar: Preissteigerung und Lieferengpässe


04.07.22 - Am 21. Juni 2022 fand das ausgebuchte Seminar in Olten statt.



Im Konferenzhotel Arte in Olten schulten die beiden Referenten RA Dr. iur. Patrick Stach und RA Dr. iur. Roman Bühler die Teilnehmenden in Sachen Teuerung und Lieferverzug. 

Als Organisator des Seminars begrüsste Patrick Fus die Anwesenden und wies darauf hin, dass anlässlich des aktuellen Weltgeschehens in den Unternehmen grosser Aufklärungsbedarf besteht. Die rechtliche Absicherung der Unternehmen ist spätestens bei Vertragsabschluss wichtig und Ziel dieser Veranstaltung war es, den Teilnehmenden Handlungsempfehlungen abzugeben, um finanzielle Einbussen zu vermindern.

Werkverträge
Gemäss Obligationenrecht besteht bei Werkverträgen eine gesetzliche Pflicht zur rechtzeitigen Erfüllung. Ansonsten wird ein Unternehmer bei eigenem Verschulden schadenersatzpflichtig. 
Der Besteller eines Werks kann nach OR jederzeit vom Vertrag zurücktreten sofern höhere Kosten anfallen als vereinbart oder sich die Werkablieferung absehbar verzögert. In diesem kritischen Fall bleibt der Unternehmer auf sämtlichen Kosten sitzen, die beispielsweise für Lieferanten bis dato anfallen.
Dr. Stach empfahl den Anwesenden bei Vertragsabschlüssen in solch unvorhersehbaren Zeiten daher dringend, Preise mit Teuerungsregelungen zu vereinbaren. Dies kann in einem schriftlichen Werkvertrag unter der Überschrift «Preisgestaltung» festgehalten werden. 

Abstrakte Garantie
Dr. Bühler warnte ausdrücklich vor der Abstrakten Garantie. Hierbei handelt es sich um ein Sicherungsmittel, das Garantien für Mängel übernehmen soll, jedoch unter Umständen auch beim Ausbleiben von Mängeln beansprucht und nicht mehr zurückverlangt werden kann. Dr. Stach empfahl hierzu, eine normale Garantie im Vertrag zu vereinbaren und erinnerte an die Vertragsfreiheit, die in der Schweiz besteht.

Beweispflicht des Fordernden
Als Unternehmer wird man bei Abschluss eines Werkvertrags mit einem Besteller automatisch zum Fordernden eines Entgelts. Als Fordernder liegt die Beweispflicht beim Unternehmer. Aus diesem Grund erinnerte Dr. Stach daran, wie elementar eine schriftliche Dokumentation aller bilateralen Vereinbarungen ist, um bei Bedarf das Recht auf Bezahlung geltend zu machen. 

Einfuhrverbote
In der Verordnung über Massnahmen im Zusammenhang mit der Situation in der Ukraine vom 4. März 2022 sind unter Art. 14a Abs. 1 die Bestimmungen zum Einfuhrverbot von Eisen- und Stahlerzeugnissen aufgeführt. Selbst wenn sie über ein Drittland geliefert werden – die Beschaffung von Material, welches ursprünglich in der Russischen Föderation hergestellt wurde, ist verboten. Anhang 17 der Verordnung führt eine Produkteauswahl auf. Ausgenommen von diesem Verbot sind Geschäfte, die vor dem 26. März 2022 vertraglich vereinbart wurden. Dr. Bühler wies darauf hin, dass bei Missachtung der Verordnung in schweren Fällen Bussen bis zu 1’000'000 Franken und Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren drohen.

Force Majeure (Höhere Gewalt)
Für neue Vertragsabschlüsse empfahl Dr. Bühler dringend, eine Force-Majeure-Klausel in den Werkvertrag einzubauen. Trifft während der Vertragslaufzeit ein unvorhersehbares und ausserordentliches Ereignis ein, entfällt die Verantwortung des Unternehmers, das Werk abzuliefern. Von Höherer Gewalt spricht man beispielsweise bei Naturkatastrophen oder Krieg. Um sich abzusichern, sollte bereits bei Vertragsabschluss in einer entsprechenden Klausel definiert werden, in welchen Fällen Höhere Gewalt vorliegt. Auch Ereignisse wie Cybersecurity oder eine Pandemie sollten in dieser Definition u.a. enthalten sein. 

Preissteigerungen
Infolge Teuerung aufgrund des Krieges kommt es für den Unternehmer zu Mehraufwänden, welche bei der Offerte noch nicht bekannt und daher nicht kalkuliert waren. Eine Vergütung dieses Mehraufwandes ist nur unter folgenden Bedingungen möglich: Es muss sich um einen ausserordentlichen Umstand handeln, welcher nicht vorhersehbar war (s. Force Majeure) und dem Unternehmer erhebliche Mehrkosten verursacht. Diese Mehrkosten müssen ein krasses Missverhältnis zwischen der Gesamtleistung des Unternehmers und der vereinbarten Gesamtvergütung darstellen. Des Weiteren muss der Unternehmer die voraussichtliche Preissteigerung dem Besteller unverzüglich bekanntgeben. 

Teuerungsberechnung mithilfe «Preis-e»
Hansruedi Kleinert, Inhaber und Geschäftsführer von Kleinert&Partner, präsentierte das KBOB geprüfte Berechnungstool «Preis-e». Mithilfe dieses Tools kann ein Unternehmer anhand aktueller Daten des Bundesamts für Statistik die Materialpreise mitsamt Teuerung berechnen und dem Besteller offenlegen. Mehr zum Tool erfahren Sie hier

Handlungsempfehlungen Lieferengpässe
Der Unternehmer trägt grundsätzlich das Beschaffungsrisiko für das vorgesehene Baumaterial. Der Krieg in der Ukraine bringt Beschaffungsrisiken mit sich. Zum einen kommt es zu Unterbrüchen in Lieferketten und/oder zu massiven Preissteigerungen. Trifft das Material nicht rechtzeitig beim Unternehmer ein, verzögert sich die Werkabgabe. Ist das Material hingegen gar nicht – oder erst in den nächsten Jahren wieder – verfügbar, wird die Vertragserfüllung unmöglich. 
Für den Unternehmer besteht bei Verzug eine Anzeigepflicht. D.h. sobald dieser Kenntnis davon hat, muss die Verzögerung des Liefertermins dem Besteller mitgeteilt werden. Der Unternehmer muss – um sich vor möglichen Schadenersatzforderungen zu schützen – beweisen, dass Beeinträchtigungen bestehen (z.B. in Form einer schriftlichen Stellungnahme des Lieferanten), dass man keine Alternative unversucht liess und er keine Schuld an der Unmöglichkeit der Erfüllung trägt.

Bestehende und künftige Verträge
Dr. Bühler forderte die Anwesenden auf, laufende Verträge auf Preis, Teuerung und Force-Majeure-Klausel zu überprüfen, um entsprechend abgesichert zu sein. Es empfiehlt sich zudem, Werkverträge etappiert abzuschliessen, damit die Teuerung auch etappenweise angezeigt werden kann. Betreffend Preis wird empfohlen, unbedingt Teuerungsregelungen zu definieren.

Am Ende des Seminars meldete sich erneut Patrick Fus zu Wort. Er legte den Teilnehmenden nahe, dass der Verband die erste Anlaufstelle für rechtliche Unterstützung ist. Eine detaillierte Zusammenfassung des Juristen Thomas Roth erscheint in der Juli-Ausgabe der «metall» unter der Rubrik «Brennpunkt Recht».

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